„Deutschland ist ein weltoffenes Land und wird es auch bleiben… Das Grundrecht auf Asyl bleibt unangetastet.“ So hoffnungsvoll beginnt das Kapitel zu Migration und Integration im neuen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD.

Ein paar Zeilen weiter wollen die Koalitionspartner aber „einen anderen, konsequenteren Kurs in der Migrationspolitik“ einschlagen: „Wir werden Migration ordnen und steuern und die irreguläre Migration wirksam zurückdrängen.“ Das Ziel der Begrenzung der Migration soll wieder in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen werden.

Die „neue Härte“ in der Migrationspolitik zeigt sich etwa in der Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre. Abgesehen davon, dass der Nachzug ohnehin auf 1000 begrenzt war, fragt man sich nach dem Sinn dieser Maßnahme. Wäre es nicht viel sinnvoller und integrationsfördernder, Frauen und Kinder von geflüchteten jungen Männern nachkommen zu lassen, um den Beteiligten ein Leben in der Familie zu ermöglichen?

Eine weitere Härte sind die geplanten Zurückweisungen auch von Asylfällen an den deutschen Grenzen, die „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“ vorgenommen werden sollen. Was „Abstimmung“ genau bedeutet, wird nicht weiter ausgeführt; erste Reaktionen aus Polen und Österreich deuten darauf hin, dass dieser Plan nicht bei allen Nachbarn Begeisterung auslöst, sondern abgelehnt wird. Und ob die Zurückweisung von Asylbewerbern an den deutschen Grenzen einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhält, ist zumindest zweifelhaft. Dennoch will man „die Grenzkontrollen zu allen deutschen Grenzen“ fortsetzen, und zwar „bis zu einem funktionierenden Außengrenzschutz“ der EU. Man werde deshalb auch die europäische Grenzschutzagentur Frontex beim Grenzschutz und bei Rückführungen unterstützen, heißt es im Koalitionsvertrag.

Rückführungen wird es künftig häufiger geben, denn die Liste der sicheren Herkunftsstaaten soll erweitert werden. Beginnen werde man mit Algerien, Indien, Marokko und Tunesien; weitere Länder werde man prüfen. Im Zusammenhang mit den sicheren Drittstaaten sieht der Koalitionsvertrag auch vor, das sogenannte sichere Verbindungselement zu streichen. Das macht es künftig möglich, Geflüchtete in einen Drittstaat außerhalb der EU zu schicken – so wie es England mit Ruanda plante.

Um die Zahl der Abschiebungen zu steigern, sollen die Herkunftsländer zudem wirkungsvoller zur Rücknahme ihrer Staatsangehörigen bewegt werden. Der vor einer Abschiebung verpflichtend beigestellte Rechtsbeistand soll wieder abgeschafft werden.

Zudem wollen die künftigen Regierungsparteien die humanitären Aufnahmeprogramme wie z.B. das für Ortskräfte und Menschenrechtler aus Afghanistan beenden. Das kommt überraschend, bieten diese Programme doch auch die so sehr gewünschten Steuerungsmöglichkeiten von Migration; nun aber sind die Betroffenen auf Schleuser angewiesen. Für Amnesty International ist die Beendigung der Programme „unvereinbar mit dem angeblichen Bekenntnis zu Menschenrechten“.

Für neu ankommende ukrainische Flüchtlinge sieht der Koalitionsvertrag eine Herunterstufung auf Flüchtlinge 3. Klasse vor. Wurden sie bisher den anerkannten Flüchtlingen gleichgestellt, so bekommen sie jetzt nur noch die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes und auch das nur nach Bedürftigkeitsprüfung.

Die Asylverfahren sollen effizienter und schneller werden. Dazu soll der „Amtsermittlungsgrundsatz“ durch den „Beibringungsgrundsatz“ ersetzt werden. Das heißt, dass die Beweislast den Asylbewerbern aufgebürdet wird. Das hat bereits im Vorfeld heftige Kritik von Juristen ausgelöst.

Überraschenderweise fehlt in dem Kapitel des Koalitionsvertrags jeglicher Hinweis auf die verpflichtende Bezahlkarte. Positiv ist weiterhin, dass Geflüchtete mit einem Schutzanspruch künftig „schneller und besser“ integriert werden. Dazu sollen die Arbeitsaufnahme erleichtert und Arbeitsverbote auf maximal drei Monate reduziert werden.

Wie so manche ihrer Vorgänger nimmt auch die vermutlich neue CDU-, CSU- und SPD-geführte Regierung beim Thema Migration den Mund etwas zu voll und verspricht Dinge, die sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht einhalten kann. Es wird ihr nicht gelingen, Migration so zu steuern, wie sie es vorgibt. Es wird ihr auch nicht helfen, wenn in einem anderen Kapitel des Vertrags wieder die Rede davon ist, dass Entwicklungspolitik Fluchtursachen bekämpfen soll. Dabei weiß jeder, der sich damit beschäftigt, dass sie in den besonders instabilen Ländern keine Auswirkungen auf die Zahl der Flüchtlinge hat; dass erfolgreiche Entwicklungspolitik langfristig sogar zu einem Anstieg regulärer Migration führt.

Wer beim Thema Flucht und Migration den Mund zu voll nimmt und Versprechen nicht einhalten kann, bedient das Geschäft der AfD – anstatt Rechtspopulismus offensiv anzugehen.

Uli Post

11.4.2025