In ihrer praktischen Arbeit mit Geflüchteten, in persönlichen Begegnungen und in der Begleitung hat die Flüchtlingshilfe Bonn in den letzten Jahren viele, sehr viele Erfahrungen sammeln können. Auch die, dass der Bund, die Länder oder die Kommunen das Ankommen und die Integration häufig unnötig schwer machen. Diese Behinderungen, die oft genug die Menschenwürde berühren und die Rechte der Geflüchteten einschränken, müssen aufgehoben werden, wenn Integration gelingen soll.
Die Flüchtlingshilfe Bonn hat ihre praktischen Erfahrungen in politische Forderungen übersetzt:
Legale Fluchtwege ausbauen!
Jährliche Quote für das Resettlementprogramm dauerhaft im fünfstelligen Bereich
Vor dem Hintergrund des Koalitionsvertrags der Ampel aus dem Jahr 2021 dürfte es hier keine grundsätzlichen Probleme geben; denn dort heißt es: „Wir werden die geordneten Verfahren des Resettlement anhand der vom UNHCR gemeldeten Bedarfe verstärken. Wir werden ein humanitäres Aufnahmeprogramm des Bundes in Anlehnung an die bisher im Zuge des Syrien-Krieges durchgeführten Programme verstetigen und diese jetzt für Afghanistan nutzen“.
„Resettlement“ heißt dauerhafte Neuansiedlung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge in Deutschland direkt aus dem Land, in das sie zuerst geflohen sind. Das UNHCR schlägt vor, das BAMF entscheidet. Derzeit sieht das deutsche Programm 6300 Plätze vor. Wir fordern, dass die jährliche Quote für das Resettlement Programm dauerhaft im fünfstelligen Bereich liegt. Die gefährlichen Fahrten über das Mittelmeer oder andere Routen würden damit erheblich reduziert.
Keine Auslagerung von Asylverfahren in Nicht-EU-Staaten mit stark eingeschränkten Freiheiten
Es braucht die Schaffung von Möglichkeiten, in begrenztem Umfang Asylanträge im Ausland zu stellen, jedoch keine Auslagerung von Asylverfahren in Nicht-EU-Staaten mit stark eingeschränkten Freiheiten, wie z.B. Ruanda. Solche Verfahren müssten im Übrigen vom UNHCR durchgeführt werden.
Legale Fluchtwege auch für geringer qualifizierte Menschen öffnen, bei denen Nachqualifizierung in Deutschland möglich ist
Legale Wege sind nicht nur für hochqualifizierte Fachkräfte zu öffnen, sondern auch für geringer qualifizierte Menschen, bei denen eine Nachqualifizierung in Deutschland erforderlich und möglich ist. Akuten Arbeitskräftemangel gibt es auch in Branchen, die keine hochqualifizierten Arbeitskräfte benötigen.
Humaner Umgang mit Geflüchteten!
Keine Kürzungen der finanziellen Leistungen für Geflüchtete
Es darf keine Kürzungen der Leistungen an Geflüchtete geben. Die Unterstützung darf auch nicht ausschließlich in Sachmitteln erfolgen.
Harmonisierung der Leistungen auf EU-Ebene
Es braucht eine Harmonisierung der Leistungen auf EU-Ebene, unter Berücksichtigung von Preisen und Kaufkraft.
AsylbLG reformieren - diskriminierungsfrei und menschenwürdig
Das Asylbwerberleistungsgesetz muss reformiert werden, so dass es seinen diskriminierenden Charakter verliert. Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes.
Keine GEAS-Rückführung in Länder, die gegen die Genfer Konvention verstoßen
Das Gemeinsame Europäische AsylSystem GEAS sieht Abschiebungen in „sichere Drittstaaten“ vor, die den Standard der Genfer Konvention nicht einhalten. Dies ist nicht nur unmenschlich, sondern widerspricht auch dem Verbot der Zurückweisung (Refoulement), welches ein Grundsatz der Genfer Konvention ist.
Bessere Unterstützung für das UNHCR, die IOM und das Welternährungsprogramm
Es braucht eine bessere Unterstützung für das UNHCR, die IOM und das Welternährungsprogramm. Diese organisieren Flüchtlingslager und -unterbringungen bzw. versorgen die Menschen in den Lagern mit dem Nötigsten.
Integration fördern!
Integrationsangebote in Zentralen Unterbringungseinrichtungen, bis der Aufenthalt auf max. 6 Monate begrenzt wurde
Auch in den zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE) in NRW muss es mindestens so lange erste Integrationsangebote geben, bis die Landesregierung NRW den Aufenthalt in diesen ZUE auf max. 6 Monate begrenzt hat. Die Absicht, die Aufenthaltsdauer zu begrenzen, hat die Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag von 2022 festgeschrieben. Erste Integrationsangebote können insbesondere aus Sprachkursen und aus Freizeit- und Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen, aber auch aus Schulbesuchen.
In die ZUE kommen die Geflüchteten nach einem sehr kurzen Aufenthalt in einer Erstaufnahmeeinrichtung. In der ZUE bleiben sie bis zur Zuweisung oder Ausreise bzw. Abschiebung; das kann nach der Bundesgesetzgebung 18 bis 24 Monate dauern. Es ist nicht nur unwürdig, sondern auch integrationsfeindlich und unökonomisch, die Geflüchteten über einen so langen Zeitraum ohne jedes Angebot einer sinnvollen Beschäftigung zu lassen.
Dezentrale Unterbringungen der Geflüchteten in Kommunen nach max. 6 Monaten (inkl. Finanzzuweisungen an Kommunen)
Gelingt es der NRW-Landesregierung nicht, den Aufenthalt in einer ZUE rechtlich deutlich zu verkürzen oder dort Integrationsangebote zu etablieren, halten wir eine dezentrale Unterbringung der Geflüchteten in den Kommunen für unerlässlich, weil hier am besten Integrationsarbeit geleistet werden kann. Voraussetzung hierfür sind erhebliche Finanzzuweisungen an die Kommunen (beim Migrationsgipfel von Bund und Ländern am 06.11.2023 wurde hierfür bereits eine erste Basis geschaffen); denn wir sind uns der mit der dezentralen Unterbringung verbundenen, enormen Belastung für die Kommunen (enger Wohnungsmarkt, bestehender Personalmangel in Kitas und Schulen) vollauf bewusst.
Schnellere Arbeitsaufnahme und Aufenthaltstitel durch Arbeitsvertrag
Eine Arbeitsaufnahme sollte für alle Geflüchteten deutlich schneller möglich sein. Geflüchtete mit einem Arbeitsvertrag sollten ohne weiteres einen rechtssicheren Aufenthaltstitel erhalten.
Verbesserung der Migrationsverwaltung
- Ausländerbehörden entlasten zur Erhöhung der Sicherheit bei Ermessensentscheidungen: z.B. durch Verlängerung der Gültigkeit von Aufenthaltstiteln, durch Reduzierung unnötiger Prüfaufträge oder durch praktische Hilfestellungen kann die Sicherheit bei Ermessensentscheidungen erhöht werden (bspw. bei der Verlängerung des Aufenthaltsstatus).
- Digitalisierung übergreifend denken und koordiniert umsetzen
- Personal aufstocken, v.a. besser ausbilden und in eine höhere Gehaltsklasse eingruppieren
- bei Änderungen des Aufenthaltsrechts die Umsetzungspraxis mitdenken und rechtliche Komplexität reduzieren
Einführung von Bürgerdialogen auf kommunaler Ebene
Bürgerdialoge können die Akzeptanz von Geflüchteten erhöhen.