Im Artikel 2 des Vertrags der Europäischen Union heißt es: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte (…)“. Wir teilen diese Werte und setzen uns dafür ein, dass sie auch gelebt werden.
Die EU besitzt die tödlichste Außengrenze der Welt: Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind seit 2014 etwa 30.000 Menschen auf der Flucht nach Europa allein im Mittelmeer ums Leben gekommen. Ob sich das durch die Einigung zwischen den EU-Mitgliedsstaaten und dem Europäischen Parlament über die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ändern wird, bleibt abzuwarten. Gleichwohl ist für uns das Europäische Parlament ein zentraler Hoffnungsträger, um Anspruch und Wirklichkeit miteinander zu versöhnen.
Wir haben daher – gemeinsam mit weiteren Bonner Flüchtlingsorganisationen – im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament Parteien gebeten, Ihre Position zu einigen Fragen darzustellen, die wir für besonders dringlich halten. Im Verlauf der Beschäftigung mit den Fragen haben wir lernen müssen, dass die im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien sich darauf verständigt hatten, nur maximal acht Fragen anzunehmen, die jeweils nicht mehr als 300 Zeichen lang sein durften. Dafür hatten die Parteien eine entsprechende Form auf ihren Websites zur Verfügung gestellt. Das gilt für SPD, Grüne, CDU/CSU, FDP und Die Linke, nicht aber für VOLT, da die Partei nicht im Bundestag vertreten ist. Antworten haben wir von allen Befragten außer der FDP bekommen. Dabei hatten die Parteien die Möglichkeit, auf die Fragen entweder mit „ja“ oder „nein“ zu antworten oder aber ihre Position etwas ausführlicher zu begründen. Da einige Parteien auf eine Beantwortung der Fragen mit „ja“ oder „nein“ verzichteten und einen ausführlichen Text schrieben, haben wir in diesen Fällen die aussagekräftigste Passage zitiert und verweisen auf die vollständigen Antworten in diesem Dokument. Die Reihenfolge in der Darstellung orientiert sich am Ergebnis der Europawahl 2019.
Die beteiligten Bonner Organisationen sind der Anonyme Krankenschein Bonn (AKS) e.V., Ausbildung statt Abschiebung (AsA), Flüchtlingshilfe Bonn e.V., Flüchtlingshilfe der ev. Johannes-Kirchengemeinde Bad Godesberg sowie Haus Mondial – Fachdienst für Integration und Migration der Caritas Bonn e.V. Die Koordination lag bei der Flüchtlingshilfe Bonn e.V.
Kann die neue Gemeinsame Europäische Asylpolitik (GEAS) unter Wahrung der menschen- und asylrechtlichen Standards umgesetzt werden?
CDU / CSU
„Ja.“
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
„Wir kämpfen für eine EU, die den Zugang zum Menschenrecht auf Asyl garantiert sowie die humanitären und völkerrechtlichen Verpflichtungen wie die UN-Flüchtlingskonvention einhält. […] Dazu gehört, dass die EU-Kommission bei der Umsetzung der GEAS-Reform einen rechtsstaatlichen Umgang und die Achtung der Menschenwürde von Geflüchteten in allen Mitgliedstaaten durchsetzt.“ (vollständige Antwort)
SPD
„Wir sind überzeugt, dass nur eine geeinte EU eine adäquate Antwort auf die große humanitäre Herausforderung geben kann. Deshalb ist es grds. gut, dass der jahrelange Streit beendet werden konnte und eine Reform des GEAS gelungen ist.“ (vollständige Antwort)
Die Linke
„Nein. Das reformierte GEAS basiert geradezu auf der Verletzung von Menschen- und Flüchtlingsrechten, und die Rechte von Kindern werden sehenden Auges missachtet.“ (vollständige Antwort)
VOLT
„Nein.“
In Einrichtungen zur Unterbringung und Registrierung von Geflüchteten an den EU-Außengrenzen kam es zu erheblichen Problemen. Können diese in den zukünftigen geschlossenen Einrichtungen vermieden werden?
CDU / CSU
„Ja.“
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
„Grenzverfahren dürfen nicht dazu führen, dass Massenlager wie Moria entstehen, in dem die Menschenrechte und Würde von Geflüchteten systematisch verletzt werden. In diesem Licht sehen wir die in der GEAS-Reform beschlossenen verpflichtenden Außengrenzverfahren weiterhin kritisch.“ (vollständige Antwort)
SPD
„Für die Unterstützung eines jeden Kompromisses durch die SPD ist entscheidend, dass der Aufenthalt während eines Grenzverfahrens alle rechtsstaatlichen und humanitären Standards erfüllen muss. Geschlossene Lager und haftähnliche Bedingungen lehnen wir ab.“ (vollständige Antwort)
Die Linke
„Nein […] Dieses menschenrechtswidrige Kalkül der Abschreckung wird auch für die künftigen Genzlager gelten.“ (vollständige Antwort)
VOLT
„Nein.“
Die GEAS sieht Grenzverfahren und bewachte Auffanglager für bestimmte Personengruppen vor. Ist das mit den europäischen Werten vereinbar?
CDU / CSU
„Ja.“
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
„Eine willkürliche Inhaftierung von Schutzsuchenden ist nicht vereinbar mit den europäischen Werten oder Grundrechten und als GRÜNE lehnen wir diese konsequent ab.“ (vollständige Antwort)
SPD
„Für uns bleibt entscheidend, dass auch in Grenzverfahren das uneingeschränkte und individuelle Recht auf Asyl und humanitäre Bedingungen gewahrt bleiben. […] Die angestrebten Beschleunigungen im Asylverfahren dürfen keineswegs zu Rechtsschutzeinschränkungen führen.“ (vollständige Antwort)
Die Linke
„Vom neuen Grenzverfahren werden auch offenkundig schutzbedürftige Flüchtlinge mit hohen Anerkennungschancen betroffen sein […] Die Linke stellt sich gegen diese Politik der Entrechtung und Kriminalisierung von Geflüchteten, die den viel beschworenen Werden der EU Hohn spricht.“ (vollständige Antwort)
VOLT
„Nein.“
Wird der neue 'Solidaritätsmechanismus' anders als in der Vergangenheit bei der Aufnahme von Flüchtlingen durch die EU-Mitgliedsstaaten greifen?
CDU / CSU
„Ja.“
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
„Der in der GEAS-Reform angelegte verbindliche Solidaritätsmechanismus ist der Einstieg in eine innereuropäische Verteilung […] Die EU-Kommission muss nun dafür sorgen, dass der Solidaritätsmechanismus nicht nur auf dem Papier Wirklichkeit wird.“ (vollständige Antwort)
SPD
„Für die Akzeptanz des neuen Systems und damit auch für dessen Leistungsfähigkeit, die letztendlich den Schutzsuchenden zugutekommen soll, kommt es darauf an, dass Mitgliedstaaten, die unter Migrationsdruck stehen, sich auf die Solidaritätsbeiträge der anderen verlassen können.“ (vollständige Antwort)
Die Linke
„Es steht zu befürchten, dass es zu wenige Umverteilungsangebote geben wird, um überforderte Mitgliedsstaaten wirksam zu entlasten.“ (vollständige Antwort)
VOLT
„Die Maßnahme ist grundsätzlich richtig, die Umsetzung wird aber am Vetorecht scheitern.“ (vollständige Antwort)
Die GEAS-Reform sieht die Ausweitung des Konzepts ‚sicherer Drittstaaten‘ sowie die Absenkung der Kriterien vor, die ein Staat erfüllen muss, um als „sicher“ zu gelten. Dadurch können Menschen auch ohne Prüfung ihrer tatsächlichen Fluchtgründe in diese Länder abgeschoben werden. Unterstützen Sie das?
CDU / CSU
„Ja.“
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
„Das Konzept der sicheren Drittstaaten finden wir falsch. Menschen dürfen nicht in Staaten abgeschoben werden, wenn es dafür menschenrechtliche oder völkerrechtliche Gründe gibt.“ (vollständige Antwort)
SPD
„Schutzsuchende, die aus einem sicheren Herkunftsland eingereist sind und dorthin zurückgeführt werden sollen, müssen die Möglichkeit bekommen, hiergegen Rechtsmittel einzulegen.“ (vollständige Antwort)
Die Linke
„Die Ausweitung der sichere Drittstaaten-Regelung ist ein direkter Angriff auf die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der von der Linken scharf zurückgewiesen wird.“ (vollständige Antwort)
VOLT
„Nein.“
Arbeitskräftemangel gibt es in der EU in vielen Branchen und für unterschiedliche Qualifikationsniveaus. Das Fehlen legaler Migrationswege für Geringqualifizierte ist eine Ursache für unbegründete Asylanträge. Befürworten Sie eine Öffnung von legalen Migrationswegen auch für geringer Qualifizierte?
CDU / CSU
„Nein.“
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
„Es braucht legale Migrationsmöglichkeiten für Menschen aus Nicht-EU-Staaten und gleichzeitig Entbürokratisierung für Arbeitgeber.“ (vollständige Antwort)
SPD
Wir wollen mehr Wege für legale Arbeitsmigration nach Europa schaffen. […] Deshalb wollen wir einen Ausbau der bestehenden Möglichkeiten (bspw. Blaue Karte EU) und eine zügige Harmonisierung der nationalen Zugangsmöglichkeiten“ (vollständige Antwort)
Die Linke
„Ja. Auch gering qualifizierte Menschen sollten die Chance zur Erwerbsmigration erhalten. […] Viele in Deutschland als „Unqualifizierte“ arbeitende Migrant*innen verfügen tatsächlich über großes Wissen, Erfahrung und Fertigkeiten, die lediglich nicht formal anerkannt wurden.“ (vollständige Antwort)
VOLT
„Ja.“
Sollen Organisationen wie UNHCR, IOM und das Welternährungsprogramm, die Flüchtlingslager und -unterbringungen organisieren, für diese Zwecke mehr finanzielle Unterstützung von der EU erhalten?
CDU / CSU
„Ja.“
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
„Mit dem Ausbau verlässlicher humanitärer Hilfe sowie strukturbildender Übergangshilfe in Krisenregionen können wir Menschen in akuten Notlagen unterstützen. Neben mehr finanziellen Mittel muss die EU aber auch humanitäre Verantwortung übernehmen.“ (vollständige Antwort)
SPD
„Die Arbeit der hier genannten Organisationen ist angesichts der zunehmenden weltweiten Krisen von großer Bedeutung. Deutschland leistet neben der großen tatsächlichen Hilfeleistung hier auch eine erhebliche finanzielle Unterstützung. Das wollen wir weiter gewährleisten.“ (vollständige Antwort)
Die Linke
„Grundsätzlich ist eine ausreichende und verlässliche finanzielle Absicherung des UN-Welternährungsprogramms und des UNHCR von großer Bedeutung. […] Kritisch sehen wir die Rolle von IOM […].“ (vollständige Antwort)
VOLT
„Ja.“
Sollten die Resettlement-Kontingente in der EU erhöht werden?
CDU / CSU
„Nein“
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
„Wir setzen uns für eine deutliche Erhöhung und Stärkung von Resettlement-Programmen in der EU ein.“ (vollständige Antwort)
SPD
„[Wir wollen] sichere und legale Fluchtwege schaffen: Deshalb treten wir für Resettlement-Programme ein, die mit dem UNHCR gemeinsam organisiert werden sollen.“ (vollständige Antwort)
Die Linke
„Ja. Resettlement-Aufnahmen stellen einen der wenigen legalen und sicheren Wege für Geflüchtete in die EU dar und müssen deshalb ausgeweitet werden.“ (vollständige Antwort)
VOLT
„Ja.“