Die Debatten um den Haushalt des Landes NRW für 2025 laufen unter den Rahmenbedingungen sinkender Einnahmen und steigender Ausgaben. Auch das für unsere Arbeit relevante Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration soll Ausgabensteigerungen durch Kürzungen an anderer Stelle ausgleichen – und tut dies zu Lasten der Integration.
Angesichts der wieder steigenden Flüchtlingszahlen, insbesondere infolge des Kriegs in der Ukraine, spitzt sich der ohnehin bestehende Mangel an bezahlbarem Wohnraum weiter zu. Die Kommunen stehen vor einer kaum zu bewältigenden Herausforderung: Bereits anerkannte Flüchtlinge in dauerhafte Wohnungen zu integrieren, um die Unterbringung von neu Ankommenden gewährleisten zu können. Als „Unterstützung“ setzt das Land NRW auf Maßnahmen, die nicht nur teuer sind, sondern die Integration massiv behindern.
Die Flüchtlinge sollen nun länger in Landesunterkünften verbleiben – isoliert von zivilgesellschaftlichen Kontakten, die für ihre Integration von entscheidender Bedeutung wären. Der Aufenthalt in Massenunterkünften bringt weder Perspektiven noch das Gefühl einer echten Ankunft. Das schwache soziale Netz wird zerrissen, wenn sie nach etlichen Monaten einer neuen Kommune zugewiesen werden.
Die Einführung der Bezahlkarte verschärft die Situation zusätzlich. Sie soll Flüchtlinge abschrecken – an und für sich schon eine fragwürdige Zielsetzung. In der Realität aber werden die Kommunen mit erheblichem Verwaltungsaufwand belastet, ohne dass eine Auswirkung auf die jeweilige Fluchtentscheidung zu erwarten ist. Stattdessen erzeugt die Karte bei den hier angekommenen Flüchtlingen ein Gefühl der Ausgrenzung und verhindert die emotionale Integration.
Die neuen Massenunterkünfte und die Bezahlkarte sind teuer. Zum finanziellen Ausgleich sollen ausgerechnet die Mittel für soziale Beratung drastisch gekürzt und das Programm KOMM-AN NRW ganz gestrichen werden. Letzteres war eine wichtige finanzielle Grundlage für die Integrationsarbeit ehrenamtlicher Initiativen und kleine Vereine. In Bonn alleine stehen mehr als 100.000 Euro auf dem Spiel – für das Land ein kleiner Betrag, für die vielen Engagierten aber eine wertvolle Hilfe. Die Vorstellung, dass die ohnehin klammen Kommunen diese Lücke schließen könnten, ist schlicht unrealistisch. Die Streichung zeigt, wie wenig Wertschätzung die Landesregierung der ehrenamtlichen Integrationsarbeit entgegenbringt.
Die Kürzung von Integrationsmaßnahmen ist nicht nur ein Signal der Gleichgültigkeit gegenüber den Menschen, die sich in NRW ein neues Leben aufbauen möchten – sie ist auch ein kurzsichtiger Fehler. Denn Integration ist keine Wohltat, sondern eine Investition in die Zukunft. Sie fördert den Zugang zum Arbeitsmarkt, ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe und verhindert das Abrutschen in radikale Strukturen. Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Spaltung und wachsender Unsicherheit sind dies entscheidende Bausteine für ein friedliches Zusammenleben.
Wer Integration torpediert, wird langfristig die sozialen und ökonomischen Folgekosten zu spüren bekommen. Die Kürzungen mögen auf dem Papier Einsparungen darstellen – in der Realität jedoch bedeuten sie einen großen Verlust für uns alle.
Sabine Kaldorf, 14. November 2024