Vor ein paar Tagen – noch vor der Großdemonstration am 21. Januar – habe ich mich mit einem meiner Mentees getroffen. Er ist 2015 aus Syrien nach Deutschland geflohen, hat hier – sehr gut – Deutsch gelernt, eine Berufsausbildung abgeschlossen und ist seit einem Jahr unbefristet bei einem großen Unternehmen beschäftigt. In einigen Monaten wird er die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Er war erschrocken über die – durch das Recherchenetzwerk Correctiv öffentlich gewordenen – Absichten von Rechtsextremen zur „Remigration“ und besonders über die anschließenden Äußerungen einiger AfD-Funktionäre, wonach geflüchtete Syrer auch nach Syrien „remigriert“ werden sollen – selbst wenn sie inzwischen Deutsche sind („Der Bürgerkrieg ist ja vorbei“).
Ich weiß nicht, ob ich ihn mit meinen Erläuterungen zur Rechtslage oder Hinweisen auf die ganz anderen Erklärungen von PolitikerInnen der demokratischen Parteien habe beruhigen können. Ich weiß nicht, ob ihm die Bonner Demonstration, an der er teilnehmen wollte, etwas von seinen Sorgen genommen hat. Ich weiß nicht, ob seine sehr positive Einstellung zu Deutschland jetzt beeinträchtigt ist. Aber was ich weiß, ist, dass die AfD – wenn sie sich nicht eindeutig als Partei von diesen Plänen distanziert – endgültig den Rubikon überschritten hat: Wer Millionen von Menschen nur deswegen abschieben will, weil sie „völkischen“ Vorstellungen nicht entsprechen, hat mit den in unserer Verfassung festgeschriebenen Grundsätzen und Werten offensichtlich nichts am Hut und sollte daher entsprechend behandelt werden. Nebelkerzen, wie sie Prof. Neuhoff als Vertreter der AfD im Rat der Stadt Bonn in seiner Pressemitteilung vom 22. Januar unter der Überschrift „Nazivergleiche sind absurd und abscheulich“ wirft, können das nicht verschleiern. Wer verharmlost denn die Nazizeit: Der, der sie einen „Vogelschiss“ nennt, oder die, die durch die menschenverachtenden Äußerungen von AfD-Politikern an die menschenverachtenden Taten der Nazis erinnert werden? Wer hetzt gegen und verleumdet das politische System in Deutschland: Die AfD oder die demokratischen Parteien?
Es ist zu hoffen, dass die deutschlandweiten Demonstrationen nur der erste Schritt zu einer großen Protestwelle sind, dass die Zivilgesellschaft endlich aufwacht und aktiv wird sowie den Rechtsextremen, besonders der AfD, klare Grenzen setzt. Die Flüchtlingshilfe Bonn e.V. jedenfalls wird ihren Beitrag dazu leisten.
Wedig von Heyden, 22.01.2024